Im Oktober 2009 hatte ich spontan die Chance eine Woche Urlaub allein zu verbringen. Da ich ja schon mit viel Freude Ich bin dann mal weg gehört und mich für das Thema Jakobsweg interessiert hatte, beschloss ich mal einen „Probelauf“ zu starten. Kurz zuvor hatte ich durch Zufall vom neu ausgeschilderten Zuführungsweg Rothenburg-Speyer erfahren. Da der Weg hier direkt vor unserer Haustür vorbeiführt, möchte ich ein paar Tips dazu geben. Selbstverständlich hatte ich ein Reise-Notizbuch dabei. Da waren schonmal Infos zu Unterkünften drin und alles was ich für die Zug-Anreise wissen musste. Im Übrigen diente es mir als Reisetagebuch, wobei die Einträge vor Erschöpfung jeden Tag kürzer wurden.
Nicht mitnehmen
Natürlich hatte ich in meinem Reisenotizbuch eine Packliste, aber viel wichtiger war mir die Liste „Nicht mitnehmen“. Wenn man mit Rucksack wandert, muss man sich ja beschränken. Da hilft es schon, sich auch darüber Gedanken zu machen.
- Bücher
Ich geb zu, ich bin schwach geworden. Dreams from my father von Barack Obama.
Aber natürlich war ich abends immer so fertig, daß da nix mehr ging. Und der schreibt zwar echt sehr gut und lebendig, aber auch ein sehr hochtrabendes Englisch. Wörterbuch hatte ich natürlich keines dabei…
- Fernglas
Braucht man so selten und wiegt nur schwer.
- Walking-Stöcke
Hab ich zumindest ernsthaft drüber nachgedacht. Aber meine sind nicht zusammenklappbar und dann nach einem Tag zu merken, daß das ne blöde Idee war… wo sollen die dann hin?
- Schlüssel
Ich wär also zu Hause nicht reingekommn, aber ich wollte ja Gewicht sparen.
Kartenempfehlung
Ich hatte vom Landesvermessungsamt Baden- Württemberg die Freizeitkarten in 1 : 50 000 dabei.
- Bad Mergentheim
- Mosbach Naturpark Neckartal-Odenwald (Ostblatt)
- Heilbronn – Nationalpark Stromberg
- Mannheim Heidelberg Naturpark Neckartal-Odenwald (Westblatt)
Der Jakobsweg ist dort aber (noch) nicht eingezeichnet. Man braucht eigentlich gar keine Karte, weil der Weg so gut ausgeschildert ist.
Route
04.10.2009 Anreise mit dem Zug nach Rothenburg ob der Tauber und Fußmarsch nach Leuzenbronn(9 km)
Gleich bei der ersten Kreuzung ohne Wegweiser, denk ich mir, welches Wagnis die Menschen früher auf dem Weg nach Santiago eingegangen sind. Die hatten kein Handy, keine Landkarten, keine Pflaster, keine Funktionsklamotten, keine LED-Leuchte,… Die konnten nicht vorher recherchieren, wo sie nächtigen. Straßenräuber war ein anerkannter Beruf. Die hatten keine EC-Karte, keine Visa- oder Mastercard, keine Krankenversichertenkarte. Man musste den ganzen Weg auch wieder zurück, daß vergessen ja heute viele. Okay, an den Rückweg zu denken, war eventuell schon ein Akt von purem Optimismus. Warum wird der Rückweg in der Literatur so stiefmütterlich behandelt? Also die Entbehrungen waren damals auf dem Jakobsweg sicher vielfältig. Und was mach ich? Ich ärgere mich, weil der erste Satz Batterien meiner Kamera schon leer ist.
Tipp
Heilig Blut Altar von Tilman Riemenschneider in der Jakobskirche in Rothenburg
Die Detailtreue in Kombination mit der schieren Grösse des Altars ist sehr beeindruckend.
Übernachtung
Gasthaus „Zur Krone“ Leuzenbronn
In Leuzenbronn sind die Straßenlaternen ausgefallen. Beim Wirt ist das natürlich Tagesgespräch. Aber schön ist das. Der Vollmond kommt ab und an hinter den Wolken vor. Fachwerkhäuser und der Wehrturm der Kirche liegen aber ansonsten im Dunklen.
05.10.2009 Leuzenbronn-Mulfingen (34 km)
Auf der Hohenloher Ebene sind alle Gemeinden evangelisch geprägt. Deshalb waren alle Kirchen abgeschlossen. Aber als Wanderer/Pilger wird man schnell angesprochen und erhält einen Hinweis, wo ein Schlüssel zu bekommen ist.
Übernachtung
Weil die „Dorfschule“ Elternabend hat, ist die gesamte Gastronomie im Ort geschlossen, aber in der zugehörigen Metzgerei werde ich vortrefflich versorgt.
06.10.2009 Mulfingen-Kloster Schöntal (31 km)
Der Vorteil, wenn man um Erntedank herum auf Wanderschaft geht, sind die herrlich geschmückten Kirchen. Die Verpflegung ist auch gesichert, weil überall am Weg die Äpfel und Pflaumen reif sind.
Tipp
Dafür muss man zwar eine kleinen Umweg laufen und vom Weg abweichen, aber es lohnt sich. Weil die Stimmung ist so wunderbar. Da es hier nie Vandalismus gegeben hat und seit 1940 keine Beerdigungen mehr stattfanden, ist die Zeit schier stehengeblieben.
Übernachtung
Mit 68 Euro inkl. Frühstück teurer als alles andere bei dieser Wanderung, aber sehr schön und für eine Pilgertour ja auch sehr passend. Zudem konnte ich so morgens vor Sonnenaufgang (ohne Rucksack) zum Friedhof hochgehen (siehe Foto unten).
07.10.2009 Kloster Schöntal-Neudenau (33 km)
Klöster Schöntal im Morgennebel
Schweigegebot im Frühstücksraum (oder für die Gruppe in die ich geraten bin?). Die Leute wissen nichts mit sich anzufangen und schauen aneinander vorbei. Denn Schweigen und Anschauen geht wohl nicht.
Tipp
Na was wohl? Im Kloster übernachten, morgens zum Friedhof hochgehen und noch viel Zeit für die wundervolle Kirche nehmen.
Übernachtung
Gasthaus zum Falken Neudenau
Obwohl im „Falken“ Ruhetag ist, macht mir der Wirt was zu Essen und ratscht mit mir. Ich bin wohl der erste, der den neuen Weg geht und bei ihm nächtigt.
08.10.2009 Neudenau-Steinsfurt (37 km)
In Bad Rappenau habe ich die Wegmarkierung außer acht gelassen und bin durch das Gelände der Landesgartenschau 2008 gelaufen. Vielleicht geht der Weg ja tatsächlich da lang?
Tipp
Nehmt Euch etwas Zeit für Bad Wimpfen. Die Altstadt ist sehenswert und der Blick zurück zur Jagst und damit einem Teil des bereits zurückgelegten Weges macht Freude. Leider sind in Wimpfen am Berg die Kirchen verschlossen.
Übernachtung
Gasthaus „Zum Ochsen“
40 Euronen sind wohl „Messepreis“, aber dieser Dorfgasthof ist es definitiv nicht wert.
09.10.2009 Steinsfurt-Letzenberg (22 km)
Am Letzenberg habe ich mich vom Jakobsweg verabschiedet. Ich wollte eigentlich von Anfang an nicht nach Speyer laufen. Für mich war die Wallfahrtskapelle „Sieben Schmerzen Mariens“ der Zielpunkt. Aber im Grunde war sie aber auch nur Zwischenziel auf dem Weg nach Hause. Also bin ich vom Letzenberg noch nach Weiher gewandert.
Fazit
Ich hatte viel Freude an dieser Wanderung, aber auch viele viele Schmerzen. Meine Tagesetappen waren freilich auch viel zu lang. Ich wollte halt die Strecke in der Zeit schaffen. Die Streckenführung ist jedenfalls sehr schön und gelungen. Für mich als begeisterten Radler war es jedoch auf den meist asphaltierten Radwegen denen die Ausschilderung folgt immer etwas deprimierend. Ständig hab ich gedacht: „Wär ich doch mit dem Rad gefahren“.
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