#VWRS20
Es ist also wirklich Plan B geworden.
Siehe Von Weiher Richtung Süden
Im März hatte ich noch einen fiesen Männerhusten. Weil ich danach so unfit war, wollte ich mich langsam wieder an längere Distanzen herantasten. Es mag etwas überheblich klingen, wenn ich von „Übertraining“ spreche, aber so was in der Art hatte ich letztes Jahr in Dänemark. Deshalb wollte ich vorsichtiger sein.
Wegen Corona und privater Herausforderungen war ja auch absehbar, dass ein zusammenhängender Rennradurlaub nicht realisierbar sein würde.
Also hieß das Motto: „Von Weiher Richtung Süden“
Tatsächlich bin ich ab April ca. einmal im Monat dazu gekommen, mich in Etappen immer weiter von Weiher zu entfernen. Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit, möglichst „Frei Schnauze“ zu fahren, musste ich diesmal vorher etwas planen. Ich habe im Umkreis vom Startpunkt die S-Bahn Haltestellen rausgesucht, die ich in der gewählten Maximaldistanz erreichen kann. Die hab ich dann durchnummeriert und gewürfelt.
Tag 1 April Weiher – Rheinsheim 25 km
Ja, ich geb zu, am ersten Tag bin ich nicht wirklich nach Süden gefahren, aber die Wahl war auf Rheinsheim als Etappenziel gefallen.
Um so ein bisschen in den Groove zu kommen, war die Ausrüstung die gleiche wie für die große Tour – Basso und Rucksack. Nur die Ersatzklamotten fehlten.
Auf Tour geh ich auch gerne in Kirchen, das hab ich also auch gemacht.
In einigen Jahren werden wir an solchen Fotos festmachen, dass Coronazeit war.
Für diesen ersten Tag lag mein Limit tatsächlich bei 25 km. Lächerlich, aber besser als nichts. Ein Anfang war gemacht.
Tag 2 Rheinsheim – Wörth 48 km
Und fast genau einen Monat später bin ich an gleicher Stelle, dem Haltepunkt in Rheinsheim wieder gestartet. Ein Gefühl wie ich es sonst vom jährlichen Neustart kenne.
Der Würfel hatte entschieden, ich sollte nach Durlach radeln.
Was ich aber auf Tour auch gerne mache, ist mit Schiff oder Fähre zu fahren. Bei der Rheinfähre nach Leimersheim konnte ich nicht widerstehen.
So kam ich ins hübsche Jockgrim, wo die Einwohner wohl sehr gerne über Zettel an ihren Hauswänden mit der Außenwelt kommunizieren.
An diesem Tag kam ich bis Wörth am Rhein.
Tag 3 Wörth – Rastatt 71 km
Für diesen Tag ab Wörth hatte ich mir sogar grob eine Route zurechtgelegt, um zu wissen, ob das mit meinem Kilometerlimit klappt. Ich wollte nämlich nach Frankreich rüber und dann mit der KVV wieder heimkommen.
Was ich dabei übersehen habe, war der östlichste Punkt Frankreichs, den ich hätte aufsuchen können. Dieser liegt dort, wo das Grenzflüsschen Lauter in den Rhein mündet. Aber das lässt sich nachholen, ist ja nicht weit von hier.
Ich wollte unbedingt das Zwillingsdorf Scheibenhard/Scheibenhardt sehen. Scheibenhard auf der französischen und Scheibenhardt auf der deutschen Seite waren wegen des Lockdowns im Elsass zeitweise getrennt und eine Weile mehrmals in den Medien gewesen. Im Juli konnte ich die Grenze wieder unbedarft passieren.
Der Bahnradweg Lauterbourg – Wissembourg ist Teil des deutsch-französischen Pamina-Radweges. Dem konnte ich aber nicht komplett folgen, denn ich wollte nach Hunspach.
Hunspach hat 2020 in seiner Kategorie den Wettbewerb „Les Plus Beaux Villages de France“ gewonnen, ist also im Prinzip zum schönsten Dorf Frankreichs gewählt worden.
Das liegt wohl auch daran, dass es dort fast ausschließlich Fachwerkhäuser gibt. Den Sommer über haben die Bewohner versucht, das Beste aus der Situation zu machen und Außenbewirtschaftung auf dem Marktplatz angeboten.
Die Fähre Plittersdorf hat mich dann wieder nach Baden gebracht. Aus einem letzen Flammkuchen auf der französischen Seite wurde leider nichts mehr, weil alle Plätze im Lokal kurz vor dem Anleger schon besetzt waren.
An diesem Tag bin ich bis Rastatt gekommen.
Tag 4 Rastatt – Biberach 83 km
Ach, Rastatt, werd ich ja nicht grün mit…
Fängt schon am Bahnhof an. Keine Aufzüge, keine Rampen, aber Hauptsache schon in der Unterführung die Radwege ausschildern.
Ich hatte mir zurechtgelegt, den Oberrheingraben aufwärts zu fahren und dann ins Kinzigtal abzubiegen.
So kam ich durch einige Städte, die man sonst nur von Schildern auf der A5 oder einer kurzen Durchfahrt mit dem Zug kennt.
Als Beispiel sei hier Bühl genannt.
Gut, Offenburg kennt meine Generation auch noch von „Wetten, dass…“
Vor der Hochschule steht diese alte Dame: Gattung IV h der Großherzoglich Badischen Staatsbahn (Baureihe 183 der Deutschen Reichsbahn)
Hinter Offenburg bin ich wie geplant ins Kinzigtal abgebogen. Für meine hessischen Leser: das andere Kinzigtal!
Dort geht es weiter mit den hübschen kleinen Städtchen. Weil in Gengenbach kein RegionalExpress hält, bin ich noch bis Biberach weitergefahren.
Tag 5 Haslach – Bad Dürrheim 75 km
Blöd nur, dass Biberach und Haslach im Wechsel von den REs angefahren werden. Deshalb klafft jetzt eine kleine Lücke in meiner Tour.
Ich hatte endlich Gelegenheit, zwei Tage am Stück zu radeln. So musste ich mir zumindest für diesen Tag keinen Kopp darüber machen, wo die Etappe endet. Meine Idee war, erstmal das Kinzigtal hochfahren und vielleicht beim Freilichtmuseum Vogtsbauernhof in Gutach vorbeizuschauen und/oder in Triberg den Bahnerlebnispfad zu erkunden.
Vorher kam ich aber noch durch Wolfach. Auch hübsch.
So, die Ortskundigen haben es schon bemerkt. Ich war falsch abgebogen, bzw. ich habe falsch gedacht. Die genannten Sehenswürdigkeiten liegen im Gutachtal, ich bin aber das Kinzigtal hochgefahren. Gewundert habe ich mich erst an diesem Schild hinter Wolfach, auf dem ich die gewünschten Orte schier nicht mehr vorfand. So ergab sich eine spontane Planänderung, die mich nach Schiltach brachte.
Dort zweigt der Bahnradweg Schiltach-Schramberg ab. Am ehemaligen Abzweig steht noch (besser gesagt: steht wieder) eine Garnitur alter Schienenbusse überdacht mit einer kleinen Ausstellung darinnen.
Bahnradweg? Klar bin ich dem gefolgt.
Schramberg hat mich mit seiner Fülle an Museen und Sehenswürdigkeiten schier erschlagen:
- Stadtmuseum
- Dieselmuseum
- Autosammlung Steim
- Automuseum und Uhrenmuseum Erfinderzeiten
- Eisenbahnmuseum Schwarzwald
- Terrassenbau der Firma Junghans
Ich konnte mich nicht entscheiden und bin nach einer kleinen Mittagspause weitergeradelt. Wobei ich zugeben muss, dass es danach erstmal hoch geht und ich ein Stückerl schieben musste. War halt doch immer noch nicht so fit wie erhofft.
Die Pause in Königsfeld war wohlverdient. Wenn man die Baar mit dem Auto durchquert, ist einem ja gar nicht so bewusst, wie hoch die Gegend liegt, nämlich im Durchschnitt so um die 700 m über Normalnull. Ich hatte mir die Höhenmeter hingegen hart erarbeitet und konnte es genießen, in der Folge mehrmals bequem die Europäische Hauptwasserscheide zu überqueren.
So kam ich nach Villingen-Schwenningen genauer gesagt nach Villingen. Recht hübsch da in der Fußgängerzone, war mir aber zu viel Trubel.
So bin ich noch ein bisschen weitergefahren nach Bad Dürrheim. Weil ich ja seit Bad Kösen ein Faible für Gradierwerke habe. Auch wenn dieses hier recht klein ist, war es doch ein schöner Abschluss des Tages.
Tag 6 Bad Dürrheim – Schaffhausen 70 km
An diesem Tag musste ich auch schon wieder heim.
Kleiner Einschub: Für diese letzten Etappen war es sehr praktisch, dass ich mit meiner KVV-KombiCard während der Sommerferien in ganz Baden-Württemberg kostenlos im ÖPNV fahren konnte.
Ich hatte mir also abends folgendes überlegt: Von wo komme ich am besten heim? Schaffe ich es vorher noch in die Schweiz? Die Lösung war Schaffhausen, liegt in der Schweiz, zum Rheinfall wollte ich eh schon immer mal und die DB fährt dahin, ist also bwTarif.
Vorher noch schnell an der Donauquelle in Donaueschingen vorbeigeschaut. Da war ich 1996 schon mal.
Weiter Richtung Süden wird es dann wieder hügelig aber hübsch zu fahren.
Ab hier konnte ich auch endlich die Schweizer Alpen sehen.
Von der Sauschwänzlebahn hab ich leider kein besseres Foto. Ich war einfach zu erschöpft.
Hier haben mich doch tatsächlich zwei Pedelec-Fahrer überholt, welche Schmach!
So ist mir auch erst nicht aufgefallen, dass ich ganz nah am nördlichsten Punkt der Schweiz war. Egal, zählt auch so.
Was für ein Rheinfall !
Sorry, das Wortspiel musste sein. Ist aber wirklich schön da. Hat nur zu viele Touris, da war ich wohl Teil des Problems. Ich hatte ja eh nicht ewig Zeit das zu genießen. Ich wollte ja einen Zug kriegen.
Überraschung! Der Rheinfall liegt in Neuhausen nicht in Schaffhausen! Ich durfte also noch ca. 10 km bis zum Bahnhof packen.
Die Heimfahrt lief dann aber problemlos. Da hab ich ja auch schon anderes erlebt.
Und weiter?
…hätte es einige Tage später gehen sollen. Wegen privater Termine war die Tour auch in meinem Sommerurlaub arg gestückelt. Gegen Ende desselben wollte ich noch 3 Tage Minimum von Schaffhausen aus weiterfahren.
Dann kam es aber Dicke. Ein Umzug, bei dem ich helfen wollte verzögerte sich, ich wurde kränklich und für Oberschwaben und Teile der Schweiz gab es eine Unwetterwarnung wegen Starkregen. Eine dieser Herausforderungen hätte ich vielleicht noch weggeatmet, aber die Kombi war zu heftig. Schaffhausen bleibt wohl für 2020 der Endpunkt.
Fazit
In Anbetracht der Umstände gar nicht mal so schlecht! In Summe bin ich 6 Tage geradelt und habe 2 Nachbarländer besucht. Frankreich und Schweiz? – Check! Die Fahrerei mit dem ÖPNV hat erstaunlich stressfrei funktioniert. Sollte ich wirklich in die Alpen vordringen, muss ich entweder fitter werden oder ich brauch ein fetteres Ritzel.
Was wohl das nächste Jahr bringt? Kann ich wieder nach Dänemark? Mach ich in der Schweiz weiter Richtung Osten?
Dann könnte der Hashtag #DACH21 lauten.
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