Über die Jahrhunderte hat sich immer wieder geändert, wie Straßen gebaut werden. Damit meine ich nicht nur den Oberbau, sondern auch welcher Verlauf ihnen gegeben wurde, ob geplant oder zufällig. Ich möchte hier beleuchten, wie sich die Anforderungen und Möglichkeiten immer wieder gewandelt haben.
Dieser Artikel entstand quasi als Nebenprodukt zu einem Vortrag, den ich zur Zeit vorbereite.
B35a
Das Thema treibt mich schon länger um. Aber aktuell bin ich wieder darauf gestoßen, weil hier im Raum Bruchsal mal wieder über eine mögliche Verlängerung der B35a oder eine Tunnellösung der B35 diskutiert wird. Es geht hier im Kern um die Frage: Außen rum oder unten durch?
Hohe Straße
Aber fangen wir mal viel früher an.
Die ältesten hier in der Gegend nachweißbaren Straßen waren sogenannte Hohe Straßen. Dies waren Handelsstraßen, die entlang von Wasserscheiden abseits von Siedlungen und Tälern angelegt wurden. Wegen ihrer Führung über höhere Lagen waren sie unabhängig von Niederschlägen ganzjährig benutzbar. In Gegenden, in denen die Waldrodung schon fortgeschritten war, konnten auf den Höhen Gefahren wie zum Beispiel Straßenräuber von Weitem gesehen werden. Die Hohe Straße zwischen Kocher und Jagst wurde möglicherweise schon in der Steinzeit genutzt. Die Kelten transportierten hier wahrscheinlich Salz. Die Römer bauten Teile der Hohen Straße nach ihrem Standard aus.
Via Julia
Die Römer trieben beim Bau ihrer Fernstraßen einen immensen Aufwand. Für die verschiedenen Schichten, wie sie im Grunde heute noch gebräuchlich sind, musste der Boden bis zu einem Meter tief ausgehoben werden. Weil die Römer dann auch Kunstbauten wie zum Beispiel Brücken bauten, hatten sie dann auch mehr Freiheitsgrade bei der Planung des Verlaufs und konnten eher mal den direkten kürzeren Weg nehmen.
Die Via Julia verband die römischen Städte Augsburg und Salzburg und verlief ziemlich geradlinig. Warum sie von Augsburg erstmal nach Süden führte, weiß ich nicht. Aber ich weiß, warum sie einen Bogen nördlich um den Chiemsee machte. Dort mussten die Römer nur eine einzige Brücke über die Alz bauen. Deren Nachfolger gibt es im Prinzip noch heute und sie hat dem Ort Seebruck ganz offensichtlich den Namen gegeben. Südlich des Sees hätten mehrere Brücken über die zahlreichen Zuflüsse gebaut werden müssen.
Aber wahrscheinlich war das Sumpfgebiet (Kendlmühlfilzen) dort sowieso nicht passierbar.
Dem ungefähren Verlauf der Via Julia folgt heute übrigens ein sehr schöner touristischer Radweg.
Bergstraße
Hier im Oberrheingraben haben die Römer auch mehrere Straßen gebaut. Die bekannteste ist wohl die Bergstraße, deren Verlauf wir heute als Bundesstraße B3 (auf dem Foto bei Stettfeld) kennen.
Weil die Ebene ursprünglich für die Anlage einer Straße zu sumpfig war, wurde die Trasse über weite Strecken am Rand der Hänge angelegt. Das hatte auch den Vorteil, das dort die Quellhorizonte liegen, also frisches Wasser direkt aus Quellen verwendet werden konnte, um die Zugtiere zu tränken.
Hohlwege
Im Gegensatz zu den Fernstraßen der Kelten und Römer standen schon immer die Wege, die man heute als Ortsverbindungsstraßen bezeichnen würde. Diese waren meist nur einfache Trampelpfade und führten auf direktem Wege von einem Ortszentrum zum anderen. Hier im Kraichgau kann man deren Verlauf besonders schön sehen, weil der Lößboden so weich ist. So haben sich über Jahrhunderte Hohlwege gebildet, die größtenteils heute noch erhalten sind. Ganz wenige sind zugewachsen oder wurden zeitweise als Müllhalden genutzt. Als Beispiel für so einen alten Ortsverbindungsweg habe ich hier den „Alten Unteröwisheimer Weg“ von Bruchsal nach Unteröwisheim (oder Unneroise wie die Eingeborenen sagen).
https://www.komoot.de/plan/@49.1315488,8.6391592,15z?sport=racebike
Das Foto ist leider nicht auf diesem Weg entstanden, zeigt aber einen parallel dazu verlaufenden Hohlweg. Die Hohlwege hier in der Gegend sind übrigens sehr schön zum Wandern geeignet. Zum Radfahren mag ich sie nicht mehr empfehlen => zu rutschig.
Kriegsstraße
Heutzutage kommen ja Umgehungsstraßen immer mehr in Mode. So was ähnliches gab es aber auch früher schon. Immer wieder versuchten Städte, vorbeiziehende Heere mit möglichst wenig Widerstand um ihr Gebiet herumzuführen. Dabei war egal, ob es sich um das eigene Heer oder ein feindliches handelte. Beide wollte man nicht in der Stadt haben. Wer sich also schon immer gefragt hat, nach welchem Herrn Krieg denn die Kriegsstraße in Karlsruhe benannt wurde…
Nein, Kriegstraße kommt wirklich von Krieg.
Sie wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts außerhalb der Stadttore Karlstor, Ettlinger Tor und Rüppurrer Tor als Umgehungsstraße für durchziehende Streitkräfte angelegt, mit dem Ziel, die Karlsruher Bevölkerung zu schützen.
Heerstraße
Meine Anfrage beim unserem Heimatverein läuft zwar noch, aber wahrscheinlich hat die Heerstraße hier in Ubstadt-Weiher auch daher ihren Namen. Bereits 1968 war diese aber schon teil der örtlichen Bebauung, wie man in den Orthophotos von 1968 sehen kann.
Heutzutage ist sie nicht mehr als Umgehungsstraße zu erkennen.
Bundesautobahn 8
So, zum Schluss noch ein besonderes Schmankerl. Wer schon mal auf dem Weg nach Österreich also Richtung Salzburg oder Innsbruck die Bundesautobahn 8 östlich von München befahren hat oder was wahrscheinlicher ist, dort schon im Stau stand, wird sich gefragt haben, warum diese Autobahn so deppert gebaut wurde. Ich zitiere Euch einfach mal aus der Wikipedia, weil der Absatz so schön geschrieben ist:
„Bei der Streckenplanung wurde bewusst eine aufwändige Trassenführung mit starken Steigungen, Gefällen und zahlreichen Kurven gewählt, die vom Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen Fritz Todt in Auftrag gegeben worden war. Das so mögliche „Autowandern“ war Bestandteil nationalsozialistischer Propaganda, der die Leistungen im Straßenbau mit einer bewussten Inszenierung der „Deutschen Heimat“ verband. Als „Panorama-Autobahn“ wurde die Strecke in fünf Abschnitte untergliedert: Nach der Fahrt durch das weitläufige Waldgebiet südlich von München ergibt sich dem Autofahrer ein imposanter Blick auf die Alpen. In unmittelbarer Nähe zum nördlichen Alpenrand führend schwenkt die Autobahn dann zum Chiemsee, an dessen südlichem Ufer sie entlang verläuft. Nachdem die Region um den Chiemsee verlassen wird, führt die Trasse weiter entlang der Alpen nach Salzburg. Um den Autofahrern den Panoramablick auf die Alpen zu ermöglichen, wurde die Autobahn mit einer bis zu 7 % steilen Trasse über den 700 m hohen Irschenberg geführt. Außerdem nahm man eine geschwungene Linienführung mit Kurven in Kauf, um die Trasse in die umgebende Landschaft anzupassen.“
Ja, und heute ist es schier unmöglich an der Trassenführung noch was zu ändern und so kann man nur noch an den Symptomen herumdoktern.
Ihr seht also, es gab schon immer „vernünftige“ Gründe, eine Straße SO und nicht anders zu bauen. Nachfolgende Generationen sehen das aber manchmal ganz anders. Vielleicht könnten wir heute besser in die Zukunft denken.